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Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Verbraucherrecht und Privatrecht sowie Rechtsvergleichung – Prof. Dr. Schmidt-Kessel

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Daten als Leistung

Daten als Leistung

Das Projekt wird von Dr. Tereza Pertot durchgeführt und aus dem Stipendienprogramm „Exzellente Wissenschaftlerinnen für die Universität Bayreuth“  gefördert.

Teil des Projekts ist auch der Workshop „Rechte an Daten“ , der von Frau Dr. Pertot am 21./22. Februar 2019 in Bayreuth organisiert wird. In dem international besetzten Workshop geht es insbesondere um die Frage nach der vermögensrechtlichen Zuordnung von Daten sowie nach der Möglichkeit der Übertragung herkömmlicher Konzepte des Sachenrechts, des Schuldrechts und des Immaterialgüterrechts.

Projektbeginn: Juni 2017
Projektlaufzeit: 31 Monate

Beteiligte:
Dr. Tereza Pertot
Agnes Bobrowski (2017/18)
Vanessa Förster (seit 2018)


Projektbeschreibung:

Im täglichen Leben werden immer häufiger Leistungen nicht gegen Geld, sondern gegen personenbezogene bzw. andere sonstige Daten erbracht. Oft werden solche Leistungen als „kostenlos“ angeboten. In Wirklichkeit zieht aber der Anbieter Profite aus der Nutzung der übermittelten Daten , die als „Währung“ angesehen werden können, mit der sich der Verbraucher die Möglichkeit der Nutzung eines Online-Dienstes „einkauft“ . Als Beispiel lässt sich der Fall der digitalen Inhalte (eBooks, Apps, Musikfiles, Videos) anführen, die zwar oft „gratis“ zur Verfügung gestellt werden, die aber durch die Übermittlung der persönlichen Informationen an den Anbieter dieser Inhalte sowie durch Einräumung einer Nutzungsbefugnis bezahlt werden. Die Übermittlung solcher Informationen kann mehr oder weniger bewusst sein. Eine automatische Übertragung der Daten, ohne aktive Mitwirkung des Datenschuldners, erfolgt z.B. durch die Nutzung der sog. „Cookies“. Die Nutzungsbefugnis wird vielfach nebenbei durch Erteilung einer Datenschutzrechtlichen datenschutzrechtlichen Einwilligung erteilt.

Vertragsgestaltungen, bei denen Daten eines Vertragsteils als Leistung an die andere Partei eingesetzt werden, sind aber nicht nur in der Online-Welt verbreitet. Vielmehr findet man sie auch in anderen Bereichen, beispielweise bei Versicherungen, wo die Versicherer ihren Kunden oft Prämieneinsparungen bieten, wenn sie im Gegenzug Daten zu ihrer Gesundheit oder ihrem Fahrverhalten offenlegen. Besondere Beachtung verdienen hier die KfZ-Versicherungsmodelle (sog. Telematik-Tarife), bei denen die Informationen über das Verhalten des Versicherten, die durch dien sog. „black box“ ermittelt werden, als Gegenleistung zu Rabatten auf die Prämie führt . Es handelt sich um Vertragsgestaltungen, die in Italien (genauso wie z.B. im Vereinigten Königreich und in Frankreich) anders als in Deutschland schon seit langem verbreitet sind (in Italien wurden bis heute ca. 4,5 Millionen sog. „black box“ installiert ), und deren Angebot seitens der Versicherer nach dem neuen Gesetzesentwurf („Disegno di Legge“) „Concorrenza“  in der Zukunft, trotz vieler Gegenmeinungen , sogar verpflichtend sein werden sollte .

Obwohl das „Bezahlen mit eigenen Daten“ immer häufiger erfolgt, fehlt aber eine vertragsrechtliche Konzeption und erst recht eine gesetzliche Regelung, die auf diese Fälle Anwendung finden würde. Die Regelungslücke wird seit kürzerem von einem Teil des – vor allem Bayreuther – Schrifttums betont, das insbesondere auf den ungenügenden Charakter des bestehenden Datenschutzrechtes  zur Bewältigung der vertragsrechtlichen Fragen verweist . Die gesetzlichen Regeln im Bereich des Datenschutzrechtes dienen lediglich dem persönlichkeitsrechtlichen Schutz des Datenschuldners. Sie sind dagegen unzureichend, um die Vermögensphäre desselben abzusichern. Genau die Vermögensinteressen sind aber, neben den Persönlichkeitsinteressen, bei den oben genannten Vertragsgestaltungen in Gefahr. Der Datenschuldner unterschätzt nämlich oft den Wert seiner personenbezogenen bzw. anderen von ihm übermittelten Daten  und ist damit geneigt unüberlegt eine große Menge solcher Daten zu übermitteln und dafür eine qualitativ bzw. quantitativ unangemessene Gegenleistung zu erhalten.

Es besteht also die Erforderlichkeit der Erarbeitung von vertrags- und schuldrechtlichen Regeln, die neben dem Datenschutzrecht greifen und dem Datenschuldner auch den Schutz des Vermögensguts eigener Daten (unabhängig von deren Personalisierung) garantieren . Diesbezüglich ist aber zuerst einmal zu klären, ob und in wie weit Daten überhaupt als Leistungsgegenstand behandelt werden können. Im Schrifttum finden sich zunehmend Autoren, die sich für eine positive Lösung aussprechen . Diese ist inzwischen offenbar auch politisch weitgehend akzeptiert, wie der im Dezember 2015 vorgelegte Vorschlag für die Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte zeigt . Gem. Art. 3 I des Vorschlages wird nämlich der Anwendungsbereich der Richtlinie auch für solche Verträge eröffnet, bei denen die Gegenleistung nicht in Geld, sondern in der Zurverfügungstellung von personenbezogenen und anderen sonstigen Daten (z.B. eigenen digitalen Inhalten) besteht (vgl. auch Erwägungsgründe 13 und 14). Letzteres ist – wie im Schrifttum beobachtet wurde – neu und bislang ohne Vorbilder . Nach einem Teil der Lehre könnte der genannte Vorschlag den Ausgangspunkt zur Erarbeitung einer, bis heute noch fehlenden, allgemeinen schuldrechtlichen Theorie der Vertragsgestaltung „Daten gegen Leistung“ darstellen.

Zugehörige Publikationen:

  • Pertot, L’assicurazione auto con scatola nera. Sconti tariffari vs dati personali, in: Osservatorio del diritto civile e commerciale 2018, 529-546
  • Pertot, Kfz-Versicherung und Telematik-Tarife: Die neue Gesetzesregelung in Italien, in: VersR 2018, 271-275
  • Pertot/Breunig, Digital Revolution: Challenges for Law in Praktice (Conference Report), in EuCML 2018, 261-263
  • Pertot/D'Onofrio, Platforms - Business Models and Contracts (Conference Report), in: EuCML 2017, 170-172
  • Pertot, Die Auslegung des datenschutzrechtlichen Koppelungsverbots – Lockerung durch den Corte di Cassazione, in: GPR (im Erscheinen)
  • Pertot, Kommerzialisierung der Daten als rechtspolitische Herausforderung des digitalen Zeitalters (im Erscheinen)
  • Schmidt-Kessel/Pertot, „Donazione“ di dati personali e risvolti successori (im Druck)

Verantwortlich für die Redaktion: Petra Kroll

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